00:49: WW: Ja lieber Gerald, vielen Dank, mein erster Gast im neu gestalteten WolffloW-Office. Kann man eigentlich die Farbe noch riechen vom Wochenende?
00:56: GG: Servus Josef, riechen kann man sie eigentlich nicht mehr aber man sieht sie, und das sehr gut
01:03: WW: Super, ich freu mich ja wirklich wahnsinnig schon längere Zeit. Angekündigt war ja unser Podcast schon in der letzten Ausgabe der 8samkeits-Impulse und Dranbleiben ist ja auch unser heutiges Thema und das Thema der aktuellen jetzigen 8samkeits-Impulse, also ich bin schon sehr sehr neugierig wie du diesen Begriff siehst, wenn es darum geht Fähigkeiten bis zur Perfektion voranzutreiben. Vor allem aber hoffe ich, dass wir die eine oder andere Inspiration für unsere Hörerinnen und Hörer schaffen können, wo es um das Dranbleiben, vielleicht auch was die aktuelle Situation betrifft, vielleicht auch ein bisschen mehr in den Fokus bringen können, indem sie trotz all der herrschenden Unsicherheit ihren Mut sich erhalten können, weiterhin hoffen, vor allem aber mitfühlen und achtsam bleiben können. Vielleicht haben wir ja die eine oder andere Inspiration mitzugeben. Bevor wir allerdings tiefer in das Dranbleiben zum Thema eintauchen, vielleicht für all jene die dich nicht kennen, wer bist du woher kommst du vor allem aber was bewegt dich in deinem Leben?
02:08 GG: Na ja, mein Name ist Gerald Gradwohl ich bin mittlerweile 54 Jahre alt und bin Berufsmusiker. Die Entscheidung habe ich eigentlich, vielleicht nicht fix sehr früh getroffen aber irgendwie habe ich als Kind schon gewusst, dass ich das machen will. Die endgültige Entscheidung habe ich dann in der Oberstufe getroffen, wo ich gewusst habe, so in der Schule da funktioniert es nicht so, ich spiele viel zu viel Gitarre, übe zu viel und da bleibt der schulische Erfolg ein bisschen auf der Strecke. Da habe ich gewusst, die Schule ist es nicht es ist eher die Musik meine Zukunft, aber ich habe alles runtergebogen es ist sich alles gut ausgegangen, habe aber dann sofort nach den Schule zu studieren begonnen habe Jazz-Gitarre studiert, habe aber in meiner Jugend in Rockbands gespielt, Hardrock eigentlich, bin mit dieser klassischen Hardrock-Musik aufgewachsen und dazu gebracht haben mich meine Cousins, glaube ich also die haben irgendwie Instrumente zu Hause gehabt und das hat mich immer fasziniert. Und am Anfang hat mich eher so das Schlagzeug fasziniert. Irgendwie ist es dann einmal darum gegangen, ok, der Bub sollte in die Musikschule gehen und die Mama hat gesagt, da kann ich mich noch gut erinnern „na, ja nimm das leichteste Instrument, nimm Gitarre!“, und ok, nehme ich die Gitarre. Und das hat mich immer interessiert hat mich immer interessiert, hat mir immer gefallen, ich war ein großer Fan von diesen klassischen Bands wie KISS, AC/DC wo ja die Gitarre im Vordergrund steht und habe aber nebenbei immer auch Kampfsport gemacht, das ist so meine zweite große Liebe und ich hab jetzt so mal vor Kurzem einmal darüber nachgedacht: was wäre gewesen, wenn ich jetzt nicht Musiker gewesen wäre. Ich hätte mir ein Leben mit Kampfsport hauptberuflich vorstellen können (lacht), das muss ich jetzt so rückblickend sagen. War es aber nicht, aber das habe ich immer gemacht, so mit 14 habe ich begonnen und habe zuerst Jiu Jitsu gemacht bis zum ersten Dan, dann hat sich irgendwann einmal der Verein aufgelöst und dann habe ich zwei junge Burschen kennengelernt, durch Zufall (lacht) weil ich für meine Tochter etwas gesucht habe, und da war eben einer davon der Josef und mit denen habe ich, ich glaube 2000 war das,
04:40: WW: ja 2000
04:41 GG: und seit dem trainiere ich SDI, also mittlerweile auch schon 22 Jahre, ist eigentlich ein Wahnsinn, ja und das sind so meine zwei Hauptinteressen, wenn man das so sagen kann
04:56 WW: Mich hat ja immer fasziniert bei dir, trotz der Gefahr, die ja beim Kampfsport besteht, ich kann mich ja an viele Trainings erinnern, die wir gemeinsam absolviert haben und da ist ja die Verletzungsgefahr doch immer wieder gegeben und als Profi-Gitarrist, der du ja bist, brauchst du deine Hände ja, das ist ja quasi dein Werkzeug, und aktuell sehe ich ja hast du aktuell ja gerade eine Verletzung, aber nicht vom Kampfsport, sondern vom Ski-Fahren.
GG: (lacht) genau
WW: Also wie ist das für dich, hast du da keine Angst, dass das da irgendwie so in die Richtung, vielleicht Berufsunfähigkeit, geht? Wie gehst du mit solchen Ängsten oder mit solchen Gefahren um?
05:37 GG: Ich bin das schon des Öfteren gefragt worden und ich bin Gott sei Dank, ein bisschen ein naiver (lacht) Mensch, der einfach den Moment genießt und die Dinge genießt, die er halt macht. Ich habe darüber ehrlich gesagt, über die Verletzungsgefahren nie wirklich nachgedacht. Vielleicht jetzt im Alter ein wenig, aber auch jetzt muss ich sagen, denke ich nicht allzuviel darüber nach. Für mich war das nie Thema. Man muss dazu sagen, man ist ja sehr konzentriert beim Training, zumindest ich war immer sehr konzentriert, mir ist immer nur dann etwas passiert, wenn ich nicht fokussiert und nicht konzentriert war. Und ich glaube du kennst das sehr gut, und ich hatte so – keine sehr schweren – aber doch schwerere Verletzungen gehabt und die sind nicht beim wirklich harten Training geschehen, sondern bei Unachtsamkeiten, wann man irgendwo hektisch reingeht, unaufgewärmt etwas macht, und sie waren auch relativ selten, dass muss ich auch dazu sagen. So kleine Blessuren waren immer da. Bei den Fingern ist mir eigentlich nie wirklich etwas geschehen, da war es als Tormann gefährlicher. Als Junge habe ich im Tor gespielt, Fußball, und da ist die Gefahr, dass man die Finger verletzt größer. Aber damals hatte ich auch noch nicht so sehr ans Musikmachen gedacht. Aber nochmal, es war nie ein Thema für mich, ich denke nicht daran, ich kann dir aber auch keinen Grund sagen, warum ich das nicht mache, ich denke, das ist ein Typenfrage. Es gibt halt solche und solche Typen und ich bin halt Gott sein Dank so ein Typ, das ist für viele dieser Geschichten vielleicht ein Vorteil. Für manche vielleicht wiederum nicht.
07:35 WW: Eine Frage die mich auch noch beschäftigt, wir beide haben sie ja auch schon des Öfteren beim einen oder anderen Nachbesprechung eines Trainings erläutert: Wie kommst du zu diesem Genre? Wie darf man das Genre generell bezeichnen? Ist es Ja77, Funk-Fusion? Wie bist du in dieses Genre hineingelangt, du sagtest du hast zuerst Rock gespielt, wie kommst du dazu?
07:59 GG: Das kann ich dir ganz genau erklären. Mit Rock aufgewachsen, Hardrock war absolut mein Ding und ich wollte eigentlich immer nur das machen bis zu einem gewissen Alter und da habe ich mich dann sehr viel mit dem Instrument beschäftigt. Da spielt man, man macht seine Übungen in einem gewissen Tonraum der gut hörbar ist. Ich versuche es jetzt so auszudrücken, dass man das vielleicht auch versteht. Und irgendwie mit der Zeit habe ich mir dann gedacht, es muss noch irgendetwas anderes geben als die Durtonleitern in allen Lagen auf und abzuspielen, so schnell wie möglich. Und genau in der Zeit habe ich diese Musik gehört. Zwei drei Künstler, die einen rockigen Ton hatten, einen rockigen Touch, da war aber noch etwas Anderes, da waren andere Harmonien, die quasi aus dem Jazz gekommen sind. Und das habe ich gehört und dachte mir, das interessiert mich, das will ich jetzt wissen wie das geht. Was macht man da und habe versucht mich darüber zu informieren und habe dann in dem Zuge auch gleich ein Studium begonnen, wo ich dann auch dieses Wissen vermittelt bekam. Was diese anderen Tonräume abseits der normalen Durtonleiter, sind wo das herkommt usw. Und wenn man sich dann damit beschäftigt, irgendwie, verändert sich dann auch der Geschmack. Für mich hat sich dann persönlich auch der Geschmack ein wenig verändert. Es haben mich dann plötzlich Gitarristen aus diesem Jazz-Genre interessiert, weil ich mir gedacht habe. Ok, warum macht der das? Wie macht der das? Das ist irgendwie auch total cool, einfach nur ein anderer Ansatz. Damit habe ich mich dann laufend beschäftigt, viel gehört und dadurch bin ich zum Jazz gekommen. Aber im Herzen bin ich immer noch ein Rockmusiker. Das ist einfach so, das glaube ich hört man auch noch. Und vor kurzem habe ich (kurze Nachdenkpause), der Wunsch ist sehr groß meine Rockband, in der ich damals war wieder aufleben zu lassen. Ich kann noch nicht sehr viel verraten, aber es wird irgendetwas geben in nächster Zeit (lacht).
10:13 WW: Sehr sehr, spannend. Auf deiner letzten CD hört man ja auch ganz gut den Rock-Einschlag. Aber für mich klingt das jetzt so, als wäre Jazz, weil du vorher sagtest, die Durtonleitern auf und ab spielen. Aber du hast ja dann auch nicht das gemacht was du wolltest, sondern das war ja auch wahrscheinlich ein Üben und ein regelmäßiges Dranbleiben um die Skills vielleicht in einem anderen Genre jetzt zu verbessern, aber es hat ja trotzdem mit viel Übung zu tun.
10:35 GG: Absolut, es hat total mit Übung zu tun, nur andere Ansätze, andere Basics, andere Grundlagen. Man kann das vielleicht mit dem Kampfsport vergleichen. Es gibt diesen einen Stil, wenn du jetzt Judo z.B. hernimmst, was sehr wurf- und auf Festhaltetechniken betont ist. Und du hast aber auch das Kickboxen und das einfach Schläge, Kicks oder Taekwondo oder was auch immer. All das sind verschiedene Dinge, stilistisch verschiedene Dinge, erfordern aber sehr viel Übung, in jedem Bereich. Und so ist das mit den Musikrichtungen auch, denke ich. Im Großen und Ganzen ist es eine Geschmacksfrage. Und ich bin da dann vom Rock beim Jazz hängen geblieben eine Zeit lang. Und mir hat dann diese Mischung, diese Verbindung irrsinnig gut gefallen, dass man verschiedene Stile verbindet, gibt es ja schon länger. Ich bin sicher kein Purist jetzt in der Richtung und auch kein Purist in der anderen Richtung. Mir gefällt das immer wenn verschiedene Einflüsse zu hören oder zu sehen sind, und beim Kämpfen ist es genauso. Ich finde das irgendwie spannend. Also wenn man es lange nicht gemacht hat und dann steht man plötzlich einem Boxer gegenüber, kennt sich überhaupt nicht aus, warum er mich andauernd trifft, ich ihn aber nicht. Er hat einfach viel mehr geübt, er hat sich einfach viel mehr mit diesen Dingen beschäftigt und ich bin einfach mit einem ganz anderen Background aufgewachsen. Da muss man sich einfach etwas adaptieren, anpassen, so würde ich das jetzt sehen.
12:22 WW : Wenn ich das jetzt, weil du den Kampfsport angesprochen hast, und da kenne ich mich auch ein wenig aus. Hätte man sich, im Kampfsport ist ja das Basistraining sehr wichtig und sehr übungsintensiv. Hättest du dir somit das Basistraining, also die Tonleiter auf und abzuspielen ersparen können und gleich mit Jazz beginnen können?
12:45 GG: Nein, hätte ich mir nicht. Ich muss dazu sagen, man muss auch beim Jazz die Tonleitern auf und abspielen. Das kam zuerst wahrscheinlich etwas falsch rüber. Es liegt dem einfach nur eine andere Harmonik zugrunde und andere, vielleicht, motivische Gedanken beim Improvisieren usw. In der Rockmusik ist etwas weniger Improvisation da, und dieser improvisatorische Ansatz, der hat mir beim Jazz so gut gefallen. Es geht einfach um andere Dinge als wie in einem Song den Song zu spielen zu lernen und quasi immer das Selbe zu spielen und dann vielleicht einfach nur acht Takte Solo zu haben, damit der Song nicht zu lange wird, das ist ja bei der Rockmusik wichtig – damit das eigentlich auch irgendwo gespielt wird, oder der Hörer irgendwie eine Faszination findet. Beim Jazz ist alles viel offener, aber trotzdem muss es für mich eine Kraft haben und das ist das was mir an beiden Stilen so gefällt. Und wenn ich jetzt z.B. Rockmusik spiele, dann nehme ich den improvisatorischen Ansatz vom Jazz und gehe an das so heran. Das ist vielleicht jetzt für andere nicht so attraktiv, aber für mich selbst ist es sehr attraktiv (lacht).
14:11 WW: Soweit ich das natürlich mit meiner Unkenntnis beurteilen darf bist du ja für mich in dem was du machst in deiner Fähigkeit als Gitarrist perfekt. Und dadurch, dass ja in der letzten Ausgabe der 8samkeits-Impulse das Thema Perfektion sehr genau unter die Lupe genommen wurde, wie siehst du als jemand der sich durch zig-tausende Übungsstunden, Schritt für Schritt dem Perfektionismus genähert hat den Zusammenhang zwischen Dranbleiben, also Üben und Talent? Würdest du sagen, dass es da so etwas wie einen Anteil in Prozenten wie: soviel ist Talent und soviel das Üben gibt? Wie siehst du das?
14:48: GG: Ich muss vorher etwas korrigieren, Perfektion die erreicht man nicht, nie. Ich nehme es als Kompliment, das ist natürlich super, aber ich bin weit davon entfernt perfekt zu sein in allem was ich mache und ich glaube niemand, ich weiß nicht ob jemand Perfektion erreichen kann. Möglicherweise irgendein Mönch, der sein gesamtes Leben dem widmet, aber ich weiß es nicht, da habe ich zu wenig Erfahrung. In der Musik ist das Schöne, dass man immer weiter strebt. Das mag jetzt keine technische Perfektion sein, sondern eine andere Weiterbildung, Ich glaube auch nicht, dass man technisch perfekt werden kann. Es gibt so viele Aspekte und du weißt es aus dem Kampfsport und aus den anderen Dingen die du machst, Perfektion ist wirklich…. Ich kann das nicht erreichen. Aber man kann immer noch mehr danach streben, sich selbst zu verbessern und das ist das Wichtigste und das ist was mich antreibt. Ich mag heutzutage nicht mehr so viel üben wie früher. Ich gebe es zu. Aber ich merke auch einfach, wenn ich das nicht mache oder bis zu einem gewissen Grad mache, verliert man recht schnell den Anschluss. Die Jungen kommen nach, also meine Studenten sind ja ein Wahnsinn teilweise, die saugen Sachen auf zur Zeit und das ist unglaublich gut und das ist auch super für mich zu beobachten, und das lässt mich dranbleiben, einfach um mir keine Blöße zu geben (lacht). Und das ist das Schöne an der Musik. Es gibt halt immer wieder Dinge, die man versucht zu verbessern, wie gesagt, das muss jetzt keine Technik sein, das kann harmonisches Wissen, das kann Melodieführung, das kann motivisches Komponieren sein, was auch immer. Aber es gibt immer etwas wonach man streben kann. Jetzt bin ich mir aber nicht ganz sicher ob ich deine Frage richtig beantwortet habe. Du hattest glaube ich gefragt, Talent und Üben.
17:15 WW: Genau, wenn du jetzt einen Schüler vor dir hättest und er würde dir diese Frage stellen, wie wichtig ist das Talent und wie wichtig ist das Üben für dich in Prozenten. Könntest du soetwas in Zahlen sagen?
17:26 GG: Nein, in Prozenten könnte ich es nicht sagen, wenn ich ehrlich bin, aber ich weiß, dass man mit Arbeit und üben sehr sehr viel erreichen kann. Also es gibt Menschen, die sehr talentiert sind, dann aber nicht den Fokus haben und dadurch viel weniger erreichen als jemand, der vielleicht unter Anführungszeichen, nicht so talentiert ist, aber einfach wirklich seine Schritte macht und im Endeffekt viel weiter kommt als jemand, der talentiert ist. Beides ist wahrscheinlich wichtig. Ich muss aber ganz ehrlich sagen in meiner langen Zeit jetzt auch beim Unterrichten, ich habe sehr wenige Menschen getroffen, die kein Talent haben, also oder sehr wenig Talent haben, zwei drei vielleicht. Ich habe sicherlich schon zig-Leute unterrichtet, um nicht zu sagen hunderte und deswegen ist für mich das Talent nicht ganz so wichtig. Das sage ich jetzt mal so. Aber es ist natürlich super, wenn jemand talentiert ist und noch diszipliniert, dann stehen dem oder derjenigen natürlich alle Wege offen, und dann geht wirklich etwas weiter, also das ist unumstritten.
18:57 WW: Das heißt für den Musiklehrer Gerald Gradwohl ist diese Fähigkeit des Dranbleibens, der Selbstdisziplin schon bedeutend und auch wichtig, das ein Schüler das auch mitnimmt.
GG: ja absolut
19:08 WW: Wie sieht das beim Privatmenschen Gerald Gradwohl aus, wenn er mit anderen Menschen interagiert, legst du darauf auch wert, dass jemand sagt er ist selbstdiszipliniert oder ist das eher hier nicht so wichtig wie bei deinen Schülern?
19:22 GG: Naja, das ist jedem seine eigene Sache, natürlich ist mir das nicht so wichtig, aber wenn mich jemand danach fragt, dann würde ich schon sagen, dass das ein wichtiger Punkt ist. Disziplin auf eine gewisse Art, Disziplin ist ja nicht nur die militärische Disziplin, sondern das ist einfach, vielleicht ist Fokus ein besseres Wort. Man hat ein Ziel vor Augen und versucht das zu erreichen mit gewissen Tools oder mit gewissen Möglichkeiten, Übungen die man halt zur Verfügung hat und ob das jetzt ein Mauerer ist oder ein Musiker oder Kampsportler ist relativ egal, sag ich mal. Der muss auch seine Sachen lernen, der kann nicht gleich das Haus bauen, also zumindest möchte ich nicht darin wohnen, wenn er es zuvor nicht gelernt hat (lacht)
20:13 WW: Grundsätzlich ist ja das Dranbleiben, sofern man jetzt keine Unterbrechungen hat eine Frage der Selbstdisziplin, wie sieht es allerdings generell aus, wenn das einmal unterbrochen wird. Gab es in deiner Karriere, sowohl Musikkarriere als auch Kampfkunst Rückschläge, wo du dich mit dem Gedanken auseinandergesetzt hast, aufzuhören oder aufzugeben? Bzw. was hat dich dann bewegt doch dranzubleiben?
20:41 GG: Nein, so etwas hat es nie gegeben. Also aufzuhören, nein. Es hat vielleicht ein paar Gedanken gegeben, wenn man jetzt nicht den Erfolg erreicht, den man sich als junger Mensch vorgestellt hat. Ich meine ein Beispiel nur (lacht): Ich habe in der Schulzeit als wir die Rockband hatten, habe ich zu meinen Freunden gesagt: Also wenn ich mit Zwanzig nicht berühmt bin dann höre ich auf (lacht). Ich meine so spricht man halt als junger unwissender Typ, ich denke da war ich 16 oder so. Und jetzt bin ich immer noch dabei. Aber es gibt schon Rückschläge natürlich. Es gibt ein paar Dinge die ich nicht erreicht habe, die ich ganz gerne erreichen wollte. Da geht es jetzt nicht darum weltberühmt zu werden, aber es gibt ein paar Dinge, diese internationale Festival-Szene, da einen Fuß hineinzubekommen, und vielleicht mehr international zu spielen. Das ist mir eigentlich nie gelungen. Ich kann den Grund nicht sagen, es hat mich manchmal ein wenig gestört und ich habe aber trotzdem weitergemacht, weil ich mir gedacht habe ok, es hat nicht funktioniert aber es ist auch nicht lebenswichtig, und je älter man wird, werden einfach andere Dinge wichtig. Du weißt ja, wenn man dann Kinder hat, ist sowieso wieder alles anders, also es ist einfach wichtig, dass die Familie in Takt ist, dass der Lebensraum passt, dass es den Kindern gut geht. Diese Dinge sind mir sehr wichtig geworden und dann relativiert sich das alles, die Ziele die man hat. Mein Hauptziel habe ich aber erreicht und das ist war: ich wollte immer von der Musik leben, das war mein größter Wunsch und das ist mir gelungen und in sofern kann sehr happy und glücklich sein, dass das so ist.
22:50 WW: Was würdest du sagen kann man die Fähigkeit des Dranbleibens, Durchhaltevermögens oder Selbstdisziplin, wie du es vorher genannt hast trainieren? Ist das wie ein Muskel, dass ich sage ich stärke das? Wie machst du es deinen Schülern schmackhaft dranzubleiben zu üben, regelmäßig die Fähigkeiten zu verbessern?
23:14 GG: Das ist wirklich nicht leicht zu beantworten. Wenn ich mit Schülern arbeite, da muss man dazu sagen, das sind meistens Menschen, was heißt meistens, immer Menschen, die schon relativ weit sind in der Musik, die ein Studium wählen, das ist jetzt nicht die Musikschule. Und die haben den Drang von selbst diszipliniert zu sein und sehr zielorientiert sind, aber trotzdem kann man das natürlich irgendwie in einer gewissen Art weitergeben. Man muss sich eben Ziele setzen, das können ganz kleine Ziele sein. Ich mache es für mich selbst so, ich setzte mir ein Monatsziel, das würde ich gerne können am Ende des Monats. Schreibe mir auf ok, diese kleinen Schritte, also wie komme ich dahin. Und das versuche ich, wenn ich übe zu machen und schau mir dann am Ende des Monats an, ob ich das erreicht habe oder nicht. Und wenn nicht, dann denke ich mir, passt, dann muss ich das einfach weiter machen, das ist jetzt egal ob ich jetzt fünf, zwei oder nur eine halbe Stunde übe, für mich persönlich ist wichtig, dass ich diesen Drang habe das zu erreichen. Und bei Schülern kann man das nur durch Vorleben oder dadurch versuchen sie zu motivieren indem man super Musiker sich anhört, sich Live-Konzerte anhört, darüber spricht, schaut, was hat möchte er gerne? Dass man eine gute Mischung findet zwischen ok, was ihm gefällt, damit man das auch bedient und ihm quasi weiterhilft, nebenbei aber auch andere Dinge macht, wo er, ich sage jetzt immer er, weil ich nur männlich Studenten habe, das müsst ihr mir verzeihen (lacht): bitte falls weibliche Gitarristinnen studieren wollen, bitte kommt, es gibt ganz wenige (lacht), ah, dann, jetzt habe ich leider den Anschluss zu meiner, was hatte ich zuvor gesagt (lacht)
25:35 WW: Du hast von Vorleben gesprochen, also das war so der Punkt, du hast gesagt das würdest du mitgeben und da würde ich jetzt gern noch einmal einhaken, weil ich kenne dich als einen sehr positiven und vor allem sehr freundlichen Menschen von dem ich noch nie ein wertendes oder gar verurteilendes Wort gehört habe, also wie schaffst du es, trotz all der aktuellen äußeren Einflüsse, der Medien z.B. gerade jetzt in Zeiten der unmittelbaren Berichterstattung, diese ich darf es Offenheit bezeichnen, für dich zu behalten. Wie schaffst du es diesen Positivismus für dich zu behalten, weil den gibst du ja auch weiter, der ist ja spürbar.
26:15 GG: Das ist schön wenn du das so empfindest, ich glaube es ist auch so, wie schaffe ich das? (denkt nach) …wahrscheinlich durch meine eigenen Ziele, die ich habe. Also ich habe die Corona-Zeit jetzt… das wahr für alle zu Beginn ein Wahnsinn irgendwie, weil niemand wusste, wie lange, wie ist das, so wie es halt allen gegangen ist. Die ganzen Konzerte wurden abgesagt, dieses und jenes. Ich hatte aber Gott sei Dank ein Projekt nebenbei liegen. Und dieses Projekt – ich habe die Zeit genützt – und ich habe das Projekt fertiggestellt, d.h. ich hatte in dieser Zeit etwas zu tun und ich versuche immer neben meinen Jobs die ich so spiele als Job-Musiker, als Berufsmusiker, immer ein eigenes Ding zu haben, dass ich parallel mache. Meist sind das Aufnahmen oder eine neue Band oder sonstiges. Weil dadurch, dass ich meine eigene Musik versuche voranzutreiben und mich damit beschäftige, erhalte ich mir einfach – also das fördert meine Kreativität und mein Wohlbefinden, das ist für mich gut. Und dann gehe ich gerne zu jemand anderen und spiele für den seine Sachen, wo ich mich um nichts kümmern muss, wo ich einfach nur den Job-Musiker mache. Das ist vielleicht ein Punkt, also dass man seine eigenen Projekte irgendwie hat und wenn Zeit ist, die Zeit nützt. Weil es gibt so viele Zeiten, wo man dafür keine Zeit hat, und da ist man immer enttäuscht, ach ich habe keine Zeit, das mache ich in der Pension… Das ist für mich überhaupt kein Thema, wer weiß was bis dorthin ist – in der Pension. Ich muss das jetzt machen.
28:12 WW: Ganz toll, so ähnlich hätte ich dich auch beschrieben, du bist ja auch ein Mensch, der wirklich auch im Hier und Jetzt lebt für mich.
GG: Eigentlich schon
28:20 WW: Das habe ich mir ja auch von dir ein wenig abgeschaut. Vielleicht noch eine Frage zum Schluss. Also wenn es ums Dranbleiben geht, welchen konkreten Tipp würdest du heute dem damals 16jährigen Gerald mitgeben, wenn du erkennst, dass er an sich oder seinem Weg zu zweifeln beginnt?
28:48 GG: Dann hätte ich ihm gesagt: „Geh auf ein Konzert von einem deiner Lieblingsmusiker, schau dir das an, genieße es und es wird alles klar sein, dann gehst du dort raus mit einem positivem Gefühl und mit einem Antrieb“ , so ist es mir gegangen. Davon habe ich ganz lange gezehrt. Ich bin so einmal im Monat zumindest auf ein Konzert gegangen von meinen Lieblingsmusikern und ich habe so lange davon gezehrt, bis das nächste Konzert wieder da war und habe mir gedacht, wow, der hat das gemacht und die haben diesen Song gespielt, und das war so cool, und ich muss das üben und lernen, so hatte ich immer einen Antrieb dadurch bekommen. Also das würde ich ihm sagen, weil ich es selbst so erlebt habe
29:34 WW: Also die Motivation aus dem zu holen, was dir wirklich Spaß macht, Freude bereitet und wofür du ja auch lebst
29:41 GG: Und wie gesagt, im Musikbereich ist es definitiv so, dass man sich Dinge anhört und vor allem ansieht, weil es ist oft gut zu sehen, wie die Menschen agieren. Das ist wie mit einer E-Mail, wenn du eine E-Mail bekommst liest du es und du kannst es auf zwölf Arten lesen (lacht) und mit dem Tonfall und mit dem Tonfall, immer anders gemeint. Und wenn du dem Musiker oder die Musikerin auf der Bühne agieren siehst, weiß man ganz genau, dann spürt man einfach, welche Stimmung da rüber kommt. Das kann sowohl positiv wie negativ sein, kann beides sein. Ich bin dann nur auf die Konzerte gegangen, wo ich schon irgendwie positiv sein – für mich jetzt im dem Fall (lacht)
30:25: WW: Roll-Models sind für dich auch in der Jugendzeit auch wichtig gewesen
30:30 GG: Absolut, man muss einfach seine Augen und Ohren offen halten, weil das eigenbrötlerische kann super sein, aber es ist einfach wichtig, wir leben alle miteinander, man kann sich einfach super Inspirationen holen und ich habe mir immer Inspirationen von anderen geholt. Ich will nicht sagen, dass ich sie imitiert habe, aber ein wenig schon.
30:56 WW: Vielen Dank, vor allem dein letzter Satz, wir leben ja alle zusammen, das ist ja gerade in dieser Zeit ein ganz ein wichtiger Punkt. Bevor ich dich aber gehen lasse und nachdem du ja hier der Erste bist, gibt es den Achtsamkeits-Check-Out hier bei mir. D.h. du bekommst jetzt auch acht Fragen von mir. Und die kannst du mit maximal 1-2 Sätzen oder einem Wort beantworten, also das obliegt dir, aber versuche vielleicht das Ganze wirklich so aus deinem Bauch heraus zu beantworten und gar nicht allzu viel darüber nachzudenken. Starten wir mal mit der Frage eins: Würdest du dich als achtsamen Menschen bezeichnen, bzw. woran würden das andere Menschen an dir erkennen?
31.42 GG: leider nicht immer, ich arbeite aber daran.
31:49 WW: Die zweite Frage, der beste Rat den du jemals erhalten hast? Kannst du dich an den noch erinnern?
31:59 GG: Ich weiß nicht ob es der beste war aber ein wichtiger Rat war, wie mir mein erster oder zweiter Klassikgitarrenlehrer als junger Bub die Pentatonik gezeigt hat, das war jetzt kein Rat das war ein Tipp eigentlich und hat gesagt, mit dem kannst du überall Solo spielen. Und seitdem wollte ich nur mehr das machen.
32:23 WW: Naja wenn es den besten gibt, dann gibt es ja einen schlechten oder einen schlimmsten, kannst du dich an den auch noch erinnern
32:30 GG: Den schlimmsten, ehrlich gesagt an den kann ich mich nicht erinnern, da müsste ich jetzt wirklich lange nachdenken
32:43 WW: Ich denke dass passt auch zu deinem Positivismus, das sind jetzt Dinge sind ja nicht mehr auf deinem Radar. Vier Werte lieber Gerald, die dir spontan jetzt gleich einfallen.
GG: Allgemein?
WW: ja
32:57 GG: Freundschaft, Loyalität, Freundlichkeit und Durchhaltevermögen. Ist das ein Wert?
33:13 WW: wenn du es als Wert bezeichnest, dann ist es ein Wert, man kann ihn ja auch bewerten.
33:17 GG: Es gibt noch mehrere, aber die sind mir jetzt nicht eingefallen
33:24 WW: Die Frage fünf, das Leben ist…
GG: schön
33:30 WW: Jemand der sich der Musik verschreibt sollte…
GG: sollte sich damit beschäftigen
33:40 WW: Gibt es ein Ereignis, an das du dich spontan jetzt erinnern kannst, das dein Leben dauerhaft geprägt hat oder nach wie vor prägt?
33:52 GG: ja, also da gibt es ein paar musikalische Ereignisse, wenn ich jetzt eines nennen müsste wäre sicher ich glaube es war 1989 oder 1990 Jazz-Festival in Wiesen, Michael Breaker Group eines der tollsten Konzerte, wo ich heute noch liege wenn ich das höre, es gibt ein Bootleg davon und das gibt es sogar auf YouTube, und das war eines der prägendsten Konzerte für mich und das ist sicher eines der besten Erlebnisse gewesen, die ich je hatte
34:30 WW: Achte und letzte Frage. Könntest du ein Gesetz für alle Menschen auf diesem Planeten erlassen, wie würde es lauten?
34:39 GG: (lacht) oh Gott, (denkt nach) seid lieb zueinander, seid lieb zu euren Partnern und genießt das Leben
34.50 WW: Vielen vielen Dank lieber Gerald, danke für deine Zeit und ja für dieses spannende Interview zu diesem Thema, das ja dann wieder einmal weit mehr als nur das Thema „Dranbleiben“ beinhaltet hat, ich habe da ja auch sehr oft rausgehört Achtsamkeit und den Positivismus den du mitgenommen hast, vielen vielen Dank ich wünsche dir alles Gute, weiterhin diesen Positivismus und für die lieben Hörerinnen und Hörer es gibt natürlich dann nachfolgend auch genug Links um wirklich reinzuhören. Und im Übrigen die Musik, die diesen Podcast begleitet, die ist auch von Gerald Gradwohl selbst eingespielt. Also bleiben sie gesund, bleiben sie achtsam und be aware and take care!